In Südsudan kämpfen kritische JournalistInnen um die Pressefreiheit. Sie werden verschleppt, bedroht und eingeschüchtert.
Oyoo R. möchte lieber anonym bleiben. Der Radiojournalist sitzt in einem Pub in Juba, der Hauptstadt von Südsudan. Es ist kurz nach Mittag, die Sonne brennt heiß auf die Wellblechhütten der Stadt. Oyoo flüstert, er blickt immer wieder nervös um sich. Es ist gefährlich, mit Ausländerinnen und Ausländern über das Thema Pressefreiheit zu sprechen. Zwei andere Journalisten haben das Gespräch mit den österreichischen Kolleginnen in letzter Minute abgesagt.
Das Radioprogramm, für das Oyoo arbeitet, wird im Bundesstaat Central Equatoria ausgestrahlt. Wie die meisten anderen Medien wird es vom Ausland finanziert. Für seine Sendungen gestaltet Oyoo regelmäßig Reportagen über die Probleme der lokalen Bevölkerung: Mangel an sauberem Wasser, Krankheiten, fehlende Infrastruktur.
Mit der Unabhängigkeit von Sudan im Juli 2011 bekamen die Menschen wieder Hoffnung. Doch mittlerweile fürchten viele, der jüngste Staat der Welt könnte zu einem zweiten Eritrea werden: Der Staat am Roten Meer ist auf der Weltrangliste der Pressefreiheit von „Reporter ohne Grenzen“ hinter Nordkorea letzter. Südsudan nimmt Platz 124 von 179 ein. Auch hier wächst die Angst, dass jene, die für Freiheit gekämpft haben und nun in der Regierung sitzen, es doch nicht besser machen werden als ihre Unterdrücker. Die Unsicherheit der Behörden im Umgang mit Kritik wird immer wieder deutlich.
Die Meinungsfreiheit ist zwar in der Verfassung festgeschrieben, im vergangenen Jahr wurden dennoch zahlreiche Journalistinnen und Journalisten verhaftet und wochenlang ohne Kontakt zur Außenwelt festgehalten. Die Organisation „Reporter ohne Grenzen“ berichtet von bewaffneten Sicherheitskräften, die JournalistInnen massiv einschüchtern. Einige kritische Medien wurden vom Informationsministerium vorübergehend oder ganz geschlossen. Bis heute gibt es kein Pressegesetz, die Rechte von Journalistinnen und Journalisten sind nirgends festgeschrieben.
Oyoo erzählt von einem Aktivisten, der zu Korruptionsfällen recherchierte. Eines Tages wurde er von Unbekannten mit verbundenen Augen in ein Auto gezerrt und auf einer abgelegenen Landstraße verprügelt. „Was“, fragten die Männer, „gibt dir das Recht, im Namen der Zivilisten zu sprechen?“ Erst als Ortsansässige vorbeikamen und intervenierten, liefen die Angreifer davon.
Seine Kritik an der Regierung hat auch Oyoo schon in Schwierigkeiten gebracht. „Ich bin verhaftet worden, nur weil ich auf einer öffentlicher Straße ein Aufnahmegerät in der Hand gehalten habe“, sagt er. Auf dem Gerät stand „Sudan Radio Service“, das gefiel den Polizisten nicht. Sie warfen Oyoo vor, mit Khartum, der Hauptstadt des verhassten Nordens zu kooperieren. Der Journalist wurde mitgenommen und fünf Stunden lang verhört. Es sei kein Wunder, so Oyoo, dass die Menschen nicht über die Regierung sprächen. Man habe Angst, Schwierigkeiten zu bekommen.
Vor einigen Monaten hörte Oyoo, dass es in einem Spital in Juba Probleme gab: Gerüchten zufolge kam es im Krankenhaus immer wieder zu langen Stromausfällen. Offiziell hieß es, das Problem sei erfunden, die Ärztinnen und Ärzte protestierten nur, weil sie faul wären und keine Lust hätten zu arbeiten. Gleichzeitig unternahm das Gesundheitsministerium alles, um Oyoo an einem Gespräch mit den Ärztinnen und Ärzten zu hindern. Eine Genehmigung, die er dafür benötigt hätte, wurde ihm einfach nie ausgestellt.
Oyoo hat sich öffentlich mit der Frage auseinandergesetzt, wie das Geld, das Südsudan über seine reichen Ölvorkommen verdient, genutzt werden könnte. Er befürchtet, dass es versickern wird. „Die Menschen wollen Straßen, Schulen und Krankenhäuser“, sagt er, „doch wer weiß, wohin das Geld tatsächlich fließen wird.“ Er verspricht sich nicht viel von der Regierung: „Von ihr heißt es immer: Wir arbeiten daran. Die NGOs helfen den Menschen viel mehr als die Regierung. Wenn einer ein gesundheitliches Problem hat, geht er zu einer NGO. Die Regierung sollte mehr mit den internationalen Organisationen kooperieren, aber die Korruption verhindert eine fruchtbare Zusammenarbeit.“
Es sind Aussagen wie diese, die Oyoo in Gefahr bringen könnten. Doch er ist Reporter aus Überzeugung. Er will die Gesellschaft ändern, wenn auch in kleinen Schritten. „Mir ist klar, dass ich dabei sterben könnte“, so der Journalist, „aber zumindest habe ich etwas bewirkt. Wenn man nichts tut und sagt, geht alles weiter wie bisher.“
Siobhán Geets schreibt als freie Journalistin für Tageszeitungen und Magazine. Im Rahmen einer Pressereise von „Licht für die Welt“ besuchte sie Südsudan.
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